Gutachtenstil im Jurastudium – Aufbau, Beispiele & Tipps für Deine Klausuren

Sep 12, 2025
 

Der Gutachtenstil ist die wohl wichtigste Technik, die Du im Jurastudium beherrschen musst. Ob in Klausuren, Hausarbeiten oder im Examen – ohne den juristischen Gutachtenstil kommst Du nicht weit. Aber was genau steckt dahinter? Wie baust Du Dein Gutachten richtig auf? Und worin unterscheidet sich der Gutachtenstil vom Urteilsstil oder dem Feststellungsstil?


In diesem Artikel findest Du eine umfassende Erklärung mit Beispielen, Formulierungen und typischen Fehlerquellen.

 

Was ist der Gutachtenstil?

Der Gutachtenstil ist eine juristische Arbeitstechnik, mit der Du einen konkreten Fall systematisch prüfst. Anstatt eine bloße Antwort zu geben, leitest Du die Lösung Schritt für Schritt her.
Die Methode geht auf den klassischen Syllogismus zurück: „Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also ist Sokrates sterblich.“ Genauso baust Du auch im Jurastudium Deine Argumentation auf. Im Mittelpunkt steht immer eine Fallfrage, die Du anhand von Gesetzen beantwortest. Dabei gilt: Nicht nur Dein Ergebnis zählt, sondern vor allem der Weg dorthin.

 

Aufbau des Gutachtenstils: Die vier Schritte

Der Gutachtenstil besteht aus vier aufeinanderfolgenden Schritten

  1. Obersatz

    Du formulierst eine Hypothese, also die Rechtsfrage, die es zu beantworten gilt.

    Beispiel: „Die Vase könnte eine Sache sein.“

    Typische Formulierungen: „Fraglich ist, ob…“, „Zu prüfen ist, ob…“, „Es stellt sich die Frage, ob…

  2. Definition

    Du erklärst abstrakt, was unter dem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist.

    Quellen: Gesetz (Legaldefinition), Kommentare, Lehrbücher oder Auswendiglernen bei Standarddefinitionen.

    Beispiel: „Sachen sind nach § 90 BGB alle körperlichen Gegenstände.“

  3. Subsumtion

    Jetzt prüfst Du, ob der konkrete Sachverhalt unter die Definition fällt.

    Dabei gehst Du zweistufig vor:

    1. Sachverhalt darstellen.

    2. Prüfen, ob die Merkmale erfüllt sind.

      Beispiel: „Eine Vase ist ein körperlicher Gegenstand. Somit fällt sie unter die Definition.“

  4. Ergebnis

    Du beantwortest die Rechtsfrage abschließend.

    Beispiel: „Mithin ist die Vase eine Sache.“

    Typische Formulierungen: „Damit ist…“, „Somit ist…“, „Daher ist…“

👉 Merke: Jeder dieser Schritte ist notwendig. Lässt Du etwas aus, bricht die Logik Deines Gutachtens.

 

Beispiel: Anwendung in einer Klausur

Fallfrage: „Hat sich T nach § 303 StGB strafbar gemacht, indem er die Vase des O zerstörte?“

  1. Obersatz: T könnte nach § 303 I StGB eine fremde Sache beschädigt haben.

  2. Definition: Eine „Sache“ ist nach § 90 BGB jeder körperliche Gegenstand.

  3. Subsumtion: Die Vase ist ein körperlicher Gegenstand und damit eine Sache.

  4. Ergebnis: Mithin ist die Vase eine Sache 

 

Solche Mini-Prüfungen wiederholst Du in einer Klausur mehrfach – für jedes Tatbestandsmerkmal. Am Ende steht ein Gesamtergebnis, z. B.: „A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB.“ 

 

Gutachtenstil vs. Urteilsstil vs. Feststellungsstil

  • Gutachtenstil: Schritt-für-Schritt-Argumentation mit Obersatz, Definition, Subsumtion und Ergebnis. Standard in Klausuren und Hausarbeiten.

  • Feststellungsstil: Eine Form des Gutachtenstils, um unproblematische Punkte kurz abzuhandeln. 

  • Urteilsstil: Wir in Urteilen und im 2. Examen verwendet, nicht aber im 1. Examen. Der Urteilsstil zeichnet sich dadurch aus, dass das Ergebnis am Anfang steht und erst danach Definition und Subsumtion folgen: (1. Ergebnis, 2. Definition, 3. Subsumtion). Einen Obersatz gibt es beim Urteilsstil nicht. 

 

Typische Fehler im Gutachtenstil

Beim Schreiben im Gutachtenstil schleichen sich häufig Fehler ein, die leicht vermeidbar wären. Ein klassisches Problem ist das Fehlen eines klar formulierten Obersatzes. Wenn die Rechtsfrage nicht präzise aufgeworfen wird, fehlt der logische Ausgangspunkt für die gesamte Prüfung. Ebenso verbreitet ist die falsche oder ungenaue Definition. Definitionen müssen abstrakt und juristisch korrekt formuliert sein, da sie den Maßstab für die Subsumtion setzen. Auch unsaubere Subsumtionen kommen oft vor: Anstatt wirklich zu prüfen, ob der konkrete Sachverhalt die Voraussetzungen der Definition erfüllt, wiederholen viele Studierende lediglich das Ergebnis in anderen Worten. Schließlich wird nicht selten das Ergebnis am Ende vergessen oder unklar formuliert, sodass die Antwort auf den Obersatz fehlt. 

 

Gutachtenstil - Tipps für Deine Klausur

Damit Dir diese Fehler nicht passieren, solltest Du einige bewährte Strategien beherzigen. Verwende Standardformulierungen, um beim Schreiben Zeit zu sparen und Routine zu entwickeln. Außerdem ist es wichtig, die zentralen Definitionen – wie etwa die Wegnahme beim Diebstahl – auswendig zu beherrschen. So kannst Du sie ohne Zögern in Deine Klausuren einbauen. Achte zudem darauf, Dein Gutachten in verschachtelten Viererschritten aufzubauen, wenn mehrere Tatbestandsmerkmale zu prüfen sind. Auf diese Weise bleibt Deine Argumentation stringent und nachvollziehbar. Schließlich gilt: Übung macht den Meister. Je häufiger Du den Gutachtenstil anwendest, desto mehr verinnerlichst Du ihn – bis er Dir im Ernstfall automatisch und ohne große Anstrengung gelingt.

 

Fazit: Der Gutachtenstil als Schlüssel zum Klausurerfolg

Der Gutachtenstil Jura ist mehr als nur eine Schreibtechnik – er ist die Grundlage für jede erfolgreiche Klausurbearbeitung. Mit Obersatz, Definition, Subsumtion und Ergebnis strukturierst Du Dein Gutachten klar, logisch und nachvollziehbar. Ob in Klausuren, Hausarbeiten oder im Examen – wer den Gutachtenstil beherrscht, kann jedes Rechtsproblem sauber lösen.

Wenn Du den Gutachtenstil regelmäßig übst, wird er Dir bald automatisch von der Hand gehen. Und genau das macht den Unterschied zwischen einer mittelmäßigen und einer sehr guten Note.

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