Kommunalverfassungsstreit - Zulässigkeit und Begründetheit

Mar 08, 2024
 

 

Grundlagen zum Kommunalverfassungsstreit

Besprechen wir das Wichtigste zuerst: auch, wenn das Ganze Kommunal“verfassungs“streit heißt, hat das mit der Verfassung aus dem Staatsrecht nichts zu tun. Man bezeichnet die Gemeindeordnung einfach auch als „Kommunalverfassung“, obwohl wir hier zu 100% im Verwaltungsrecht unterwegs sind. Das darfst du nicht verwechseln. Weil wir im Verwaltungsrecht unterwegs sind, musst du jetzt auch keine völlig neue Klageart lernen. Wir können einfach auf die bereits bekannten Klagearten aus der VwGO zurückgreifen und ein paar Prüfungspunkte modifizieren. Denn der Kommunalverfassungsstreit ist nicht ausdrücklich im Gesetz normiert, aber allgemein anerkannt.

Definition Kommunalverfassungsstreit

Bei einem Kommunalverfassungsstreit streiten Organe oder Teile von Organen derselben Gemeinde um Zuständigkeiten und Kompetenzen im Innenrechtsverhältnis.

Verglichen mit den verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, die du bisher kennst, hat der Kommunalverfassungsstreit also folgende Besonderheiten: Es stehen sich nicht Bürger und Verwaltung gegenüber, sondern zwei Organe oder Organteile derselben Gemeinde. Also Verwaltung gg. Verwaltung. Deshalb handelt es sich um eine sog. „Innenrechtsstreitigkeit“. Und um einen „Organstreit“. Du weißt schon, dass es einen Organstreit auch auf Verfassungsebene gibt. Nur, dass hier nicht bspw. Bundestag und Bundesregierung streiten. Sondern z.B. Gemeinderat und Bürgermeister.

Interorganstreit und Intraorganstreit 

Man unterscheidet zwischen Inter- und Intraorganstreit. Beim Interorganstreit stehen sich zwei unterschiedliche Organe gegenüber. Beim Intraorganstreit streiten Mitglieder innerhalb desselben kollegialen Organs. In erster Linie ein Ratsmitglied und der Rat. Da sie als Organe streiten und nicht als Privatpersonen, geht es beim Kommunalverfassungsstreit um die Verletzung von Organrechten aus der Gemeindeordnung. Nicht von subjektiv-öffentlichen Rechten.

Schema Zulässigkeit Kommunalverfassungsstreit

I. Eröffnung Verwaltungsrechtsweg (§ 40 I 1 VwGO)

II. Statthafte Klageart

III. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog)

IV. Feststellungsinteresse (wenn FK)

V. Klagegner (nicht Rechtsrägerprinzip) 

VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

VII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Eröffnung Verwaltungsrechtsweg (§ 40 I 1 VwGO)

In der Zulässigkeit beginnst du wie immer mit der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Achte an dieser Stelle darauf, dass du bei „öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art“ klarstellst, dass es sich gerade nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt.

Statthafte Klageart

Zweiter Prüfungspunkt ist die statthafte Klageart. Die richtig sich gemäß § 88 VwGO nach dem Klagebegehren. Eine Feststellungsklage, Verpflichtungsklage oder Fortsetzungsfeststellungsklage kommt nicht in Betracht, weil keine Außenwirkung gegeben ist und deshalb kein VA vorliegen kann.

Statthaft ist daher eine Klageart, die keinen Verwaltungsakt voraussetzt: Die Leistungsklage oder die Feststellungsklage. Hier musst du schauen, was auf den Sachverhalt besser passt, aber meistens wird eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO die richtige Klageart sein. Sie ist statthaft, wenn Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses besteht. Dabei kann es auch um ein zukünftiges oder vergangenes Rechtsverhältnis handeln und insbesondere auch um ein Innenrechtsverhältnis und um die Frage, ob einzelne Berechtigungen bestehen. Außerdem muss die Subsidiarität der FK nach § 43 Abs. 2 VwGO geprüft werden. Eine Gestaltungsklage oder Leistungsklage wäre vorrangig.

Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog)

Als drittes prüfst du die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog. Normalerweise geht es hier um die Möglichkeit der Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten. Weil die Klägerin aber nicht als Privatpersonen, sondern in hoheitlicher Funktion klagt, prüfst du hier: die Möglichkeit der Verletzung in Organrechten oder Mitgliedschaftsrechten. Das nennt man auch eine „wehrhafte Innenrechtsposition“. Du musst schon an dieser Stelle genauer erklären, woraus sich ein Organrecht für den Kläger in deinem Fall ergeben könnte. Zum Beispiel ergeben sich aus § 43 Abs. 1 GO NRW die Rechte der Ratsmitglieder.

Feststellungsinteresse

Vierter Prüfungspunkt ist das Feststellungsinteresse iSd § 43 Abs. 1 VwGO. Da reicht jedes berechtigte Interesse wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Art. Sollte es ich um ein erledigtes Rechtsverhältnis handeln, gelten die gleichen Fallgruppen wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage.

Klagegner 

Vorverfahren und Frist sprichst du bei der Feststellungsklage grundsätzlich nicht an. Sodass als fünftes der richtige Klagegegner ermittelt wird. Normalerweise gilt bei der FK das Rechtsträgerprinzip. Ausnahmsweise ist beim Kommunalverfassungsstreit aber das Organ selbst richtiger Klagegegner, gegen dessen Handeln sich der Kläger wehrt.

Beteiligten- und Prozessfähigkeit 

Sechster Punkt ist die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit nach den §§ 61, 62 VwGO. Welcher Teil der Normen genau einschlägig ist, darüber kann man sich streiten. Dass die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit zu bejahen ist, ist aber unstreitig. Du kannst gut § 61 Nr. 2 VwGO bei Kollegialorganen direkt und bei Ein-Personen-Organen oder einzelnen Mitgliedern analog annehmen und bei § 62 Abs. 3 genauso.

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis 

Bei Anhaltspunkten im Sachverhalt kann es sein, dass du als siebten und letzten Punkt noch das Rechtsschutzbedürfnis ansprechen musst,

Begründetheit Kommunalverfassungsstreit

Wenn du die Zulässigkeit bejaht hast, geht es weiter mit der Begründetheit. Hier musst Du unterscheiden, welche Klageart statthaft ist. Ist die Feststellungsklage statthaft, musst Du prüfen, ob das Rechtsverhältnis besteht oder nicht, also ob es zu einer Verletzung von Organrechten gekommen ist. Bei der Leistungsklage musst Du prüfen, ob der Anspruch auf Handlung, Duldung oder Unterlassung gegeben ist. 

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